Ein Augenzeuge war auch Anna Schlatter-Bernet (1773-1826). Bereits 1795 hatte sie ihrem Mann geschrieben:
„In diesen kriegerischen Zeiten freue ich mich besonders, dass du so ein Mann des Friedens bist und mehr Geschmack an der lieben Natur als an Waffen (und) Militär hast”. Schlatters waren zunächst Anhänger der alten Ordnung. Anna fand, man brauche die neue Freiheit nicht, man sei glücklich bei der alten, sie sollten sich die Mühe sparen, uns zu Frankreich zu bekehren. Ich sehe nichts als Verwirrung, aber ich bin dennoch getrost; Gott kann aus dem Chaos eine schöne Welt schaffen.
Als dennoch die Bürgergemeinde am 20. April 1798 die neue Helvetische Verfassung an- nahm, berichtete Anna:
Beinahe alle Männer weinten, diese gute, treue, uneigennützige Obrigkeit verlieren zu müssen. Mein sonst so ruhiger Mann, dem Tränen etwas Seltenes sind, kam schluchzend nach- hause. Anfangs 1799 wurde auch im Haus Schlatter ein französischer Soldat einquartiert. Anna lobt ihn als einen sehr ordentlichen, sittlichen, gewiss guten Menschen, der nicht aus Neigung Soldat geworden ist. Hector unterhielt sich gerne auf französisch mit ihm und gab ihm zum Abschied einen Kuss, während Anna ihm gegen seinen Willen Selbstgefertigtes, ein neues Hemd und neue Strümpfe, einpackte.
Im Mai 1799 zogen sich die Franzosen zurück und die Kaiserlichen rückten ein. Vom Fens- ter aus sah Anna 92 Wagen mit verwundeten französischen Soldaten die Marktgasse hinauf zum Lazarett im Kloster rumpeln. Sie selber ging dauernd hin: Diesen Anblick kann meine Feder nicht beschreiben, und was ich zur Linderung beitragen konnte, war nur ein Tröpflein, mein Herz bricht vor Erbarmen, wie wird Gottes Herz brechen! 1814 ging Napoleons Herrschaft zu Ende. Dazu Anna: „Mit gefällt’s gar nicht, dass in Deutschland auch die Besten so begeistert für den Krieg sind. Auch der gerechteste Krieg ist … eine Plage der Menschheit, ein Kind der Hölle, ist doch nur ein Streit um die irdischen Rechte und Freiheiten eines irdischen Vaterlandes. Unser Vaterland aber ist droben, und das Reich Gottes ist Friede… Es ist mir nicht einleuchtend, dass sie es da in Deutschland einen Kampf Gottes, einen Kampf um die Sache Jesu nennen. ” Marianne Jehle-Wildb erger „Anna Schlatter-Bernet” S. 141-144
Abt Pankraz erhoffte sich aber von Kaiser Franz in Wien konkret auch die militärische Befreiung seiner Stiftslande. Im Rheintal erlitten die Franzosen im „2. Koalitionskrieg” tat- sächlich zwei Niederlagen. Viele im Rheintal verwundete „Franken”, dh. französische Soldaten, gelangten bis nach St. Gallen, die nun in Räumen des leeren Klosters gepflegt wurden. Wer seinen Verletzungen erlag, wurde schnell nackt von einem Karren in eine Grube des Friedhofs Linsebühl gekippt.
Vom Fenster aus sah Anna Schlatter 92 Wagen mit verwundeten französischen Soldaten die Marktgasse hinauf zum Lazarett im Kloster rumpeln. Sie selber ging dauernd hin: Diesen Anblick kann meine Feder nicht beschreiben, und was ich zur Linderung beitragen konnte, war nur ein Tröpflein, mein Herz bricht vor Erbarmen, wie wird Gottes Herz brechen! 1870 fand man im Pfarrhausgarten Linsebühl bei Ausgrabungen die Reste von mind. 44 Personen, die in Haufen durch- und übereinanderlagen, fast alle unter 30 Jahren alte Männer, viele mit Spuren von Amputationen.
1809 wurden in der Stadt 7388 Reformierte und 730 Katholiken gezählt, gesamthaft somit 8118 Personen (E 317). Die Bevölkerung stieg jetzt sprunghaft an, Andersgläubige wurden aber erst in den 1860er Jahren zugelassen. Entscheidend besiegt wurde Napoleon 16.-19. Okt. 1813 in der Völkerschlacht von Leipzig (E 321).